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Bodes Wirken in den geheimen
Gesellschaften
Hermann Schüttler:
Ausschnitt aus der Einleitung zu:
Johann Joachim Christoph Bode: Journal von
einer Reise von Weimar nach Frankreich. Im Jahr 1787, Hg. Hermann Schüttler,
München 1994
Entstehung der Freimaurerei
Die Freimaurerei in der auf uns überkommenen
Form entstand durch den Zusammenschluß von vier älteren englischen Logen in
London im Jahre 1717. Diese Logen leiteten ihre Tradition aus den einstigen,
aus dem Mittelalter stammenden Steinmetz- und Dombauhütten her. Hier war es,
wie in den meisten Handwerken, üblich, sich durch geheime Erkennungszeichen
('Zeichen, Wort und Griff') gegenseitig die Zugehörigkeit zur selben Zunft zu
beweisen. Als durch die akademische Bewegung des 17. Jahrhunderts
traditionelle Domänen des Handwerks zunehmend in den wissenschaftlichen
Betrieb integriert wurden, verlor die Jahrhunderte alte Überlieferung der
Steinmetze und Maurer zusehends an Bedeutung. Bereits im 17. Jahrhundert
begann mit der Aufnahme von berufsfremden Personen in die Logen eine
Entwicklung, die den Weg von der ursprünglichen 'operativen' Maurerei, also
der rein handwerklichen Tätigkeit, hin zur 'spekulativen' Maurerei bereitete.
Nun wurde der 'rauhe Stein', den der mittelalterliche Steinmetz mit Zirkel,
Hammer und Winkelmaß bearbeitete, zum Symbol für den Menschen. Diesen galt
es jetzt zu bearbeiten, zu vervollkommnen und zu einem nützlichen, d. h.
tugendhaften und gesitteten Glied der Gesellschaft zu machen. Religiöse und
weltanschauliche Toleranz standen an erster Stelle der Lehre, denn man hatte
noch die Greuel und den Vernichtungswahn der Religionskriege im Bewußtsein.
Gerade die Freimaurerei wollte die Gräben zwischen den Konfessionen und den
Ständen, schließlich auch zwischen den Nationen überbrücken. So lesen sich
die ersten Urkunden des Bundes als Manifeste der Menschlichkeit, der Toleranz
und des Friedens.
Von England aus gelangte die moderne
Freimaurerei im Jahre 1737 nach Deutschland. Hamburg war der erste Ort auf
deutschem Boden, an dem eine Loge nach englischem Vorbild gegründet wurde.
Handwerker waren kaum beteiligt, es war das Bürgertum, das sich die neue Idee
zu eigen machte. Von Hamburg aus zog die Freimaurerei englischen Musters über
das ganze Reichsgebiet und ihre erste Sternstunde war die Aufnahme des preußischen
Kronprinzen Friedrich im Jahre 1738.
Wurden zunächst die ursprünglich
aus dem Handwerk stammenden 'Grade' des Lehrlings, Gesellen und Meisters in
symbolischer Form rituell bearbeitet, so folgten seit 1740 von England selbst
und dann besonders von Frankreich ausgehend eine Reihe von Hochgraden und
ganzen Hochgradsystemen, da offensichtlich vielen Mitgliedern das in der
sogenannten 'symbolischen', 'blauen' Freimaurerei der drei ersten Grade
gebotene 'Geheimnis' der Gleichheit und Toleranz nicht genügte. Die meisten
dieser damals entstandenen und auf die existierenden Drei-Grad-Logen
aufgepfropften Systeme hatten religiöse Inhalte, aber schon früh fanden auch
Alchemie und Goldmacherei, die Suche nach dem 'Stein der Weisen' und allerlei
Arten von Magie, Geisterbeschwörung und der Gedanke, einen neuen Ritterorden
zu errichten, Eingang in den Bund. Mit ein Grund für die Entstehung der
Hochgrade war sicher die im Konstitutionsbuch von 1723 gelieferte
Entstehungsgeschichte der Freimaurerei. Dieses Konstitutionsbuch, das von sämtlichen
'regulären', d.i. in den drei ersten Graden nach englischer Lehrart und
Konstitution arbeitenden, Logen noch heute als ihre Grundlage angesehen wird,
führte die Freimaurerei auf den biblischen Stammvater Adam zurück, der die
Kunst der Geometrie und der Maurerei unmittelbar von Gott erhalten habe. Über
Seth und Noah, die alten Ägypter und die Israelien des Moses, König Salomo
und die Babylonier und schließlich die Griechen und Römer der Antike seien
diese Kenntnisse nach Großbritannien gelangt, und dort über die Jahrhunderte
hinweg ausgeübt und gewahrt worden. Diese Legende, die am Beginn der modernen
Freimaurerei steht, bot genügend Stoff für die Spekulationen und Phantasien,
die dann in den verschiedenen Hochgraden zu finden waren.
Freiherr von Hund und die
Hochgrade der Strikten Observanz
Das erfolgreichste Hochgradsystem
dieser Zeit war die sogenannte 'Strikte Observanz', die von 1764 an ihren
Siegeszug durch die deutschen Logen begann und sich dann auch im benachbarten
Ausland ausbreiten konnte. Ihren Namen hatte diese Vereinigung von der
Forderung unbedingten Gehorsams gegenüber den Ordensoberen, die den
Mitgliedern der unteren Grade unbekannt waren. Gründer war der in Sachsen
lebende Reichsfreiherr von Hund, der 1741 Freimaurer geworden war und seit
1751 daran arbeitete, seinen 'Hohen Orden des heiligen Tempels von Jerusalem'
zu verbreiten. Ursprung und genaue Entstehungszeit dieser Idee führen in die
frühen vierziger Jahre, Spuren zeigen gleichermaßen nach England wie nach
Frankreich. Für die britischen Inseln als Ursprungsort spricht besonders eine
Erklärung Hunds, bei seiner Aufnahme in diese Verbindung 1743 in Paris sei
Lord Kilmarnock, Großmeister der Großloge von Schottland, die Person gewesen,
die ihn eingeführt habe und als Großmeister der Verbindung aufgetreten sei.
Hund fungierte von diesem Zeitpunkt an als 'Heermeister' der wieder zu
errichtenden VII. Provinz (= Niederdeutschland) des Templerordens.
Zu Beginn der 80er Jahre hatte die
vom Freiherrn von Hund gegründete Strikte Observanz mit gut 1400 Mitgliedern
in den sogenannten 'Rittergraden', die sich über Ordensniederlassungen von
Frankreich bis Rußland verteilten, die Spitzenposition aller damals
existierenden, auf der Freimaurerei aufbauenden Verbindungen erreicht. Der in
Bodes Tagebuch angesprochene Freimaurerkonvent von Wilhelmsbad 1782 brachte
der Strikten Observanz das Ende in ihrer bisherigen Form. Zwar behielten
mehrere Logen nach wie vor die Grade und Rituale Hunds bei, doch schlossen
sich die meisten in diesem System organisierten Maurer der von Frankreich
ausgegangenen Reform an.
Bodes Beitritt zur Freimaurerei
Die eigentlichen Ziele der Strikten
Observanz sind in der Forschung bis heute umstritten. Nimmt man jedoch einige
Äußerungen der damals beteiligten Personen sowie die ersten Dokumente dieser
Organisation beim Wort, so hatte sich der Freiherr von Hund die Aufgabe
gestellt, mittels des im Geheimen operierenden Ordens einen eigenen, von allen
weltlichen und geistlichen Mächten unabhängigen Staat zu errichten. In diese
Bestrebungen war nun Bode von 1765 an verwickelt. Im Februar 1761 war er der
Hamburger Loge 'Absalom' beigetreten, erreichte noch im gleichen Jahr den
Meistergrad und wirkte schon im Dezember als Redner und Sekretär der Loge.
Als diese Loge 1765 der Strikten Observanz beitrat, wobei sie ihren Namen in
die noch heute gebräuchliche Form 'Absalom zu den drei Nesseln' umwandelte,
vollzog Bode diesen Schritt mit. Unter dem Ordensnamen 'Eques a Lilio
convallium' fungierte er vom Mai 1766 bis 1784 (mit Unterbrechungen) als
'Procurator generalis', d.i. Schatzmeister, in einem Amt, das ihm den Zugang
sowohl zum engeren Führungskreis als auch den Interna dieser Vereinigung öffnete.
Dieses Amt hatte eine aufreibende Tätigkeit zur Folge. Nicht nur in den Logen
der strikten Observanz (d.i. ab dem 'Noviziat'), sondern auch in den der
Vereinigung angeschlossenen und von ihr geführten traditionellen Logen sollte
er die Beiträge eintreiben. Zudem hatte er die Aufsicht über das 'Policeywesen'
der Logen, war also bei allen Streitfragen damit beschäftigt, die innere
Ordnung wiederherzustellen. Eine rege Reisetätigkeit gehörte nun zu seinem
Alltag. Der Freiherr von Hund wollte ursprünlich nur adelige Personen in
seinen Orden aufnehmen, mußte aber nach dem Konvent von Altenberge
feststellen, daß dies nicht möglich war, ohne dabei auf die Mitarbeit
derjenigen Logen zu verzichten, in denen Bürgerliche bereits damals die
Mehrheit stellten. Dies traf besonders auf die Logen der Freien Reichstädte
in Norddeutschland zu. Daß Bode zum Schatzmeister gewählt wurde, zeigt
deutlich, daß man ihm in Finanzangelegenheiten vertraute: er galt
offensichtlich als redlicher und ehrlicher Geschäftsmann.
Die erste Loge der Strikten
Observanz war 1751 mit dem Namen 'Zu den drei Säulen' im sächsischen Unwürde,
einem Gute im Besitz Hunds, gegründet worden. Sie wurde später nach Kittlitz
verlegt, und aus ihr ging 1764 die Görlitzer Loge 'Zur gekrönten Schlange'
hervor, die bis zur Schließung durch die Nationalsozialisten 1935 Bestand
hatte. Im ersten Jahr freimaurerischer Arbeit hatte Hunds System gerade fünf
Mitglieder; Anfang 1764, nach der Wiederaufnahme der durch den Siebenjährigen
Krieg unterbrochenen Tätigkeit, waren es zwanzig Personen. Im Mai dieses
Jahres begann nun mit dem Freimaurerkonvent von Altenberge der Siegeszug der
Strikten Observanz durch die deutschen Logen. Dieser Konvent, der erste einer
ganzen Reihe solcher Treffen im 18. Jahrhundert, endete mit der Entlarvung
eines Mannes als Schwindler, Georg Friedrich Johnson, der erste einer ganzen
Reihe von Sektierern und Projektemachern, die sich der Freimaurerei als
Geldquelle zu bedienen suchten, und von denen Cagliostro der berühmteste ist.
Johnson hatte durch Vorspiegelung
von angeblich 'höheren Kenntnissen' über das 'wahre Geheimnis' der
Freimaurerei die 1744 gegründete Jenaer Loge 'Zu den drei Rosen' dazu
gebracht, ihn als 'Großprior' der gesamten Freimaurerei anzuerkennen und
zugleich dem einzigen damals existierenden logenübergreifenden Hochgradsystem
den Krieg zu erklären. Dies war das sogenannte 'Clermontsche System', das im
Verlauf des Siebenjährigen Krieges durch französische Armeeangehörige nach
Deutschland gelangt war und von Berlin aus operierte. Es bestand aus vier der
symbolischen Maurerei aufgesetzten Hochgraden, deren höchster, der 'Chevalier
Sublime' oder 'Ritter Gottes', in Jerusalem spielte, und in dem der
Aufzunehmende "zur wahren innigen Vereinigung mit Gott" und zu einem
sicheren "Platz im himmlischen Jerusalem" gelangen sollte. Die
Mitglieder benutzten die lateinische Sprache, legten sich Ritternamen zu,
beschäftigten sich mit Alchemie und 'bearbeiteten' Lehren religiös-mystischen
Inhalts. Da dieses Clermontsche System keine überzeugende Legitimation
aufweisen konnte, fiel es dem kühn auftrumpfenden Johnson zum Opfer, der dann
versuchte, auch die Strikte Observanz auf seine Seite zu ziehen.
In Altenberge hatten sich mehr als
60 Delegierte deutscher Logen aus allen Teilen des Reiches versammelt, um den
Schlagabtausch zwischen Johnson und Hund zu verfolgen. Dem Heermeister und
seinen Begleitern gelang es nun, Johnson der Lüge zu überführen und die
Nichtigkeit seiner Behauptungen zu beweisen. Mit einer Duellforderung seitens
des Freiherrn, der sich Johnson nur durch Flucht entziehen konnte, endete
diese Episode, die aber mit einem Schlag all die Fragen an die maurerische Öffentlichkeit
gebracht hatte, mit denen diese sich in der Folgezeit beschäftigte. Bode
urteilte: "Johnson war ein Mensch ohne andre Wissenschaft, als listige,
schlaue Bemerkung der Schwachheiten der Menschen ... Johnson schaffte sich
dadurch den ersten Eingang, daß er unverschämterweise vorgab: er sey von den
wahren höchsten Oberen des Ordens abgeschickt, erst den Orden zu reformiren,
und alsdann mit selbigem die geheimen Wissenschaften zu verbinden, zu deren
geheimer Bearbeitung der Orden ursprünglich gestiftet worden. Indem er so die
Neugierde spannte, versäumte er nicht, ein zweites Triebrad der menschlichen
Seele, die Begierde, ohne Mühe, auf einem wunderbaren Wege, schnell zu großen
Reichthümern zu gelangen, in Bewegung zu setzen, und sich, je nachdem er den
Schüler vor sich hatte, leise oder laut, merken zu lassen, daß die
gebenedeihte Alchemie, mit ihren Nebenzweigen, diese geheime Wissenschaft
ausmache."
Der Siegeszug der Strikten
Observanz: ihre Organisation und ihre Ideologie
Für die Strikte Observanz war
Johnsons Entlarvung, der als Häftling auf der Wartburg endete, ein voller
Erfolg, schlossen sich doch viele der in Altenberge vertretenen deutschen
Logen nun dem Hund'schen System an, das zwei Jahre später, Anfang 1766,
bereits 218 Mitglieder im sogenannten 'Inneren Orden' zählte.
Wie alle damaligen Hochgradsysteme
bediente sich auch die Strikte Observanz der symbolischen Freimaurerei als
Pflanzschule, deren Mitglieder nur bei besonderer Eignung weiter befördert
wurden. Auf den Meistergrad der traditionellen Freimaurerei folgte hier ein
sogenannter 'Schottengrad' französischer Herkunft. Die fünfte Stufe nannte
sich 'Noviziat' und diente der Vorbereitung für die Aufnahme in den
eigentlichen 'inneren Orden', bei der der Aufzunehmende - gekleidet in Helm
und Harnisch, darüber einen Umhang in der Art des mittelalterlichen
Templerordens und mit einem Degen bewaffnet - den 'Ritterschlag' erhielt. 1770
kam als siebenter und letzter Grad der 'Eques Professus' hinzu, der auf Grund
seines christlich-katholischen Inhaltes der Strikten Observanz sogleich den
Vorwurf einbrachte, jesuitisch unterwandert zu sein.
In ihrer ursprünglichen Gestalt
bediente sich die Strikte Observanz der Templer-Legende und der Nachahmung
besonders der Organisationsform dieses Ordens als Tarnung ihrer Projekte.
Eines davon, "einen neuen und unabhängigen Staat zu stiften, wo kein
einzelner Wille und keine unabhängige Ober-Gewalt herrschet", wurde zu
einer der ersten Aufgaben Bodes als Schatzmeister. Durch die Beitragszahlungen
der Mitglieder und die Gründung ordenseigener Unternehmungen sollten die
Geldmittel aufgebracht werden, um in der Umgebung des russischen Saratov -
vorher dachte man an Labrador - Ländereien zu erwerben und dort eine Kolonie
des Ordens zu gründen. Der Plan scheiterte wenig später an der Uneinigkeit
der Mitglieder und besonders an ihrem Unwillen, größere Geldmengen für
Projekte zu opfern, die ihnen gegenüber geheim gehalten wurden. Das Vorhaben
war für die damalige Zeit Hoch- und Staatsverrat: Abwerbung von Untertanen,
Abzug von Geldern, Ablehnung der bestehenden Regierungsform und stattdessen
die Absicht, sich auf eigenem Land mit eigener, demokratisch zu bildender
Verfassung unabhängig zu machen, hätten weder die Reichsgewalt noch die
einzelnen Fürsten gutheißen können. Erst nach dem Mißlingen dieses
Projektes und beschleunigt durch die rasche Zunahme an Mitgliedern wurde die
Strikte Observanz zu dem Verein der anachronistischen 'Ritterspiele', als den
ihn schon die Zeitgenossen karikierten und kritisierten.
Nach dem Scheitern des
Saratov-Projektes hatten sich Bode und mit ihm die Hamburger Mitglieder der
Strikten Observanz von den Tätigkeiten des Ordens zurückgezogen. Erst die
Auseinandersetzungen um das von Johann August Starck gegründete Klerikat
sowie die Abspaltung Zinnendorfs gaben Bode erneuten Anlaß, sich in der
Freimaurerei zu engagieren, nun allerdings in seinem eigenen Sinne: im Kampf
des Rationalisten und Aufklärers gegen Obskuranten und Okkultisten, Magier
und Mystiker, Verführer und Verdummer.
Starck und Zinnendorf
http://www.geheime-gesellschaften.de/Bode1787FreimaurerundIlluminat...
© ars una 1994 und Hermann Schüttler
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